Irische See nördlich der Isle of Man

Erik war mieß drauf, genauso wie das Wetter. Zwar regnete es nicht in Strömen, doch war es entweder neblig oder es nieselte. An diesem Morgen war es so neblig gewesen, dass er sich keine Hoffnungen gemacht hatte irgendwelche Beute zu finden, doch gegen Mittag begann es leicht zu regnen und der Nebel verzog sich. Seine Männer waren ungeduldig: Es war viel zu lange her, dass sie das letzte Mal Beute gemacht hatten.
Sie gehörten zu jenem Schlag Nordmänner, die sich lieber aufs Rauben und Plündern verlegten, statt sich als Bauern nieder zu lassen. Das war zwar eine an sich aussterbende Wikingertradition, die Zeit der großen Beutezüge waren schon Jahrhunderte vorbei, doch auf der Isle of Man gab es noch verhältnismässig viele von ihnen, da Magnus für sie einen sicheren Hafen gewährte.
Als der Mittag vorüber ging und sich immer noch nichts blicken ließ überlegte Erik, ob er nicht vielleicht die Küste ansteuern und ein Fischerdorf plündern sollte. Doch da gab es meist nicht besonders wertvolle Dinge.
Grade als eine Stimmung einen neuen Tiefpunkt erreichte rief der Ausguck:"SCHIFF VORAUS!"
Sofort war die schlechte Stimmung weg und alle sprangen auf. Viele liefen zum Bug, um etwas zu sehen und Erik musste sich Platz verschaffen, damit er auch etwas erkennen konnte.
"Was siehst du Olaf?" rief er nach oben.
"Eine fette Kogge. Sie liegt tief im Wasser."
"Sind noch andere Schiffe in der Nähe?"
"Ich kann keine erkennen."
"Dann ist es ein Handelsschiff."
"LOS MÄNNER AN DIE RUDER!"
Eifrig sprangen alle an die Riemen und legten sich mächtig ins Zeug. Da recht wenig Wind ging ließ Erik das Segel einholen, damit es sie nicht ausbremste. Schnell konnten sie die Distanz verringern. Auch wenn sie ihn jetzt sicher entdeckt hatten, die schwere Kogge würde seinem schnellen Langboot selbst beim günstigsten Wind niemals entkommen....

Erik sah, bevor es ihm der Ausguck unnötiger Weise zu rief, dass die Kogge ihren ursprünglichen Kurs geändert hatte, um mehr Fahrt aufzunehmen. Sein Langschiff war dennoch schneller, seinen Männer waren geübte und ausdauernde Ruderer. Sie kamen immer näher.
"ENTERMANNSCHAFT BEREIT MACHEN!"
Alle Männer, die jetzt nicht mit Rudern beschäftigt waren griffen sich Waffen und/oder Enterhaken, auch der Ausguck war aus seinem Nest gekommen. Als sie die Distanz so weit genug verringert hatten, gab Erik ein weiteres Kommando, auf das auch die Ruderer bis mittschiffs die Schilde aufnahmen und sich zum Bug begaben. Die restlichen Ruderer waren genug, da Erik das andere Schiff schliesslich nicht rammen wollte und die Geschwindigkeit ohnehin verringert werden musste, damit sie nicht steuerbords an der Kogge vorbeischossen...

Erik sank das Herz in die Hose, zwar hatte er, teils wegen des Windes teils wegen der anderen Sprache, nicht verstanden, was ihm Bainn zugerufen hatte, doch sah er die Bogenschützen schussbereit an der Reling. Da er vermutete, dass der Schotte seinen Männern Befehle zugerufen hatte und nicht ihm ging er nun davon aus, dass jeden Moment ein Pfeilhagel auf ihn und seine Männer herab prasseln würde. Seine einzige Chance war so schnell wie möglich unter die Reling zu kommen, zu Entern und die Bogenschützen in den Nahkampf zu zwingen.
"SCHILDE HOCH! DECKT DIE RUDERER! WIR MÜSSEN UNTER IHRE RELING!"
Wenn sie erst unterhalb der Reling der breitbordigen Kogge wären, müssten sich die Bogenschützen weit über selbige herüber beugen, um noch treffen zu können.
Hektisch versuchten seine Männer die Befehle umzusetzen, doch waren einige Ruderer zu besorgt und griffen nach ihren Schilden statt weiter zu rudern. Das war vielleicht aus besser so, denn im nächsten Moment regnete es Pfeile auf sie herab und sie hatten ohnehin noch genug Schwung, um zur Kogge aufzuschliessen. Der erste Pfeilhagel streifte Erik, verletzte ein Dutzend Männer und tötete den Ausgug, sowie fünf weitere. Der zweite Pfeilhagel tötete vor allem die zuvor Verwundeten, die anderen deckten sich nun besser. Bevor ein dritter abgeschossen werden konnte, waren sie unterhalb der Reling und nur noch die Schützen direkt an dieser konnten wirken. Gleichzeitig waren jene aber auch in Speerwurfweite und völlig ohne Deckung, wenn sie sich über die Reling lehnten.
"DECKT SIE MIT SPEEREN UND ÄXTEN EIN!"
Erik warf zuerst und traf einen der Bogenschützen glücklich in der Brust. Die anderen taten es ihm gleich, wenn auch nicht mehr mit seinem Erfolg, da sich die Bogenschützen nun hinter die Reling zurückzogen.
"BACKBORDSEITE ENTERN! STEUERBODSEITE GIBT MIT SPEEREN DECKUNG!"
Erik hatte nur noch etwa 60 Mann, doch die waren nun nicht mehr verängstigt sondern zornig und kampfeslustig. Er hob einen Speer auf, der von der Reling abgeprallt war, bereit zu werfen, falls sich einer der Schotten wieder blicken ließ. Die Steuerbordmänner warfen die Enterhaken und begannen die zu diesem Zweck daran befestigten Strickleitern hinaufzuklettern. Bevor sie die Oberkante der Reling erreichten stoppten sie, warteten auf die anderen, sodass sie alle zugleich mit dem Schild voraus nach oben stiegen, um es den Bogenschützen nicht zu leicht zu machen. Erik war bei diesem Anblick stolz auf seine Männer. Sicher, sie machten das nicht zum ersten mal und es herrschte auch kein starker Seegang, dennoch war es für ihn ein sehr erfreulicher Anblick, dass sich seine Männer an die eingespielten Abläufe hielten. Lange Zeit dafür hatte er jedoch nicht, denn jetzt mussten seine Männer schnell über die Reling, bevor die Gegner sich heran trauten und ihnen von oben herab die Köpfe einschlugen. Der Moment in dem die ersten Enternden über die Reling sprangen, war meist der verlustreichste, weswegen sich Erik als Kapitän nie bei diesen befand, und so war es auch hier. Die Hälfte der Männer hatte Glück und kam ungehindert an Bord der Kogge, die anderen wurden noch beim Übersteigen attackiert und zum Teil gleich getötet. Erik trieb nun die restlichen Männer an und stieg ebenfalls auf die Kogge. Es kam nun darauf an den Druck aufrecht zu erhalten und alle Männer bis auf den Steuermann auf die Kogge zu bringen. Als er sich endlich über die Reling schwang war der Kampf bereits vollends entbrannt, auf beiden Seiten gab es schwere Verluste. Er warf seine kleine Streitaxt, verfehlte jedoch sein Ziel und zog sein Schwert...

Zähneknirschend musste Erik erkennen, dass es sich hier nicht nur um ein mit starker Wachmannschaft versehenes Handelsschiff handelte, sondern um einen Truppentransporter. Als er den Kapitän hörte, dass sie die Waffen niederlegen sollten ließ er seine Männer innehalten, doch mit den Waffen in den Händen, kampfbereit falls die Gegner weitermachen würden.
"Und was soll es uns bringen, wenn wir die Waffen niederlegen?" fragte Erik nach. Wenn sie dennoch hingerichtet werden sollten, dann würde er lieber kämpfend sterben.

"Ja, das stimmt, wir kommen von Man. Was habt ihr uns anzubieten?"

Erik überlegte kurz. Die Informationen über Man, die er wusste, könnte man auch von Händlern erfahren, wenn man es wirklich darauf anlegen würde. Wenn er und seine Männer dafür mit dem Leben davon kamen, wäre das ein guter Tausch. Es musste sich jedoch etwas verstellen, damit es dem Schotten nicht gleich auffiel. Daher legte er einen verärgerten Ton in seine Stimme und gab zurück:"Nun gut, ich sage euch was ich weiß."
Erik berichtete Bainn, dass Magnus Ruschen und Ramsey weiter ausbauen und befestigen ließ. Ruschen wurde von Magnus selbst überwacht, während seine Frau den Ausbau Ramseys beaufsichtigte. In Ramsey war zudem eine starke Garnison stationiert, um Invasionen aus dem Norden gleich wieder ins Meer werfen zu können. Die Flotte lag im Westen bei Peel Castle.
"Nun, das ist alles was ich mit Sicherheit sagen kann. Wo die anderen Langschiffe kreuzen kann ich nicht sagen."
Er dachte nochmal kurz nach.
"Es gibt dazu noch Gerüchte man hätte etwas in den Bergen der Insel gefunden, doch scheint Magnus darum ein großes Geheimnis zu machen. Es weis nur sein engster Kreis, was es ist. Sie leugnen stets, dass überhaupt etwas gefunden wurde."

"Und was garantiert mir, dass ihr uns nicht einfach aufknüpfen oder gleich kalt machen werdet?" gab Erik zurück.
"Immerhin sind wir Seeräuber und ihr seid auch nicht das erste Schiff, dass wir angegriffen haben. Ich denke, dass jeder meiner Männer genauso wie ich lieber kämpfend sterben würde.
Wenn ihr mir keine Sicherheiten geben könnt, schlage ich vor, dass meine Männer und ich einfach auf unser Schiff zurückkehren und wir uns ohne weiteren Kampf trennen. Das würde dann Blut auf beiden Seiten sparen und ihr habt wertvolle Informationen über Man gesammelt."